Live free or die (II): "I found my own voice"

Wie sagt der Volksmund: Es ist erst vorbei, wenn die dicke Dame singt. Das musste in der Nacht von New Hampshire vor allem ein Teil der US-amerikanischen Medienschaffenden erleben, die Barack Obama in den vergangenen Tagen schon zum beinahe sicheren Präsidentschaftskandidaten erhoben. Doch erstens kommt es anders...na und so weiter eben.
Das Ergebnis, soweit bisher vorliegend (Quelle: NY Times bei 98% Auszählung, eigene Berechnungen):


Hillary Clinton: 111.622 (39.07%)
Barack Obama: 103.937 (36.38%)
John Edwards: 48.303 (16.91%)
Bill Richardson: 13.087 (4.58%)
Dennis Kucinich: 3.866 (1,35%)
Andere: 3.654 (1,28%)
Joe Biden: 625 (0.22%)
Mike Gravel: 397 (0,14%)
Chris Dodd: 200 (0.07%)

Tja, das war ja mal ne kräftige Überraschung. Die Meinungsumfragen der letzten Tage hatten Obama eigentlich einen deutlichen Sieg vorausgesagt. Darunter auch Umfragen, die den hierzulande üblichen Anforderungen in puncto Befragtenzahl durchaus genügten. Und die Vorsprünge waren teilweise so deutlich, dass man davon ausgehen darf, dass Obama vor 2 Tagen tatsächlich eine Mehrheit im demokratischen Wahlvolk New Hampshires hatte. Dann muss allerdings in letzter Sekunde etwas passiert sein, was das Pendel zu Clinton zurückschwingen ließ. Etliche Kommentatoren schreiben hier einem Ereignis eine große Bedeutung zu, das als "emotionaler Ausbruch" Clintons bezeichnet wurde und wohl die meistgezeigte Szene der letzten Stunden vor der Wahl war:



Da zeigte sich eine andere Hillary Clinton als bisher. Welchen Einfluss das wirklich hatte, ist schwer zu sagen, zumal die Entrance Polls von CNN die "Likability" leider nicht abfragen. Aber bezüglich der relativen Schwäche von Obama sind einige interessante Zahlen dabei.
Der erste Gedanke, der mir, auch angesichts des starken Auftritts von McCain kam, war der, dass sich die Unabhängigen in großer Zahl für das republikanische Rennen entschieden haben und Obama daher fehlten. Doch das scheint nicht der entscheidende Punkt gewesen zu sein. Immerhin 44% der WählerInnen waren Unabhängige und Obama konnte 41% von ihnen für sich überzeugen -exakt der selbe Wert wie in Iowa. Clinton war etwas stärker bei den unabhängigen, vor allem zu Lasten von Edwards und Richardson. Bei den Demokraten hingegen brach Obama förmlich ein: Konnte er in Iowa Clinton sogar noch um einen Prozentpunkt hinter sich lassen, lag er in New Hampshire 12 Prozentpunkte zurück. Das lässt dich auch mit noch so viel unabhängiger Unterstützung nicht wettmachen. Hierbei erwiesen sich vor allem die Frauen als Clintons Trumpf. Lag Obama bei den Wählerinnen in Iowa noch satte 5 Prozentpunkte vorn, verlor er nun in dieser Wählergruppe mit nur 34 % deutlich gegen Clinton (46%). Manche Kommentatoren sehen hierin einen Beleg für positive Auswirkungen des "emotionalen Ausbruchs". Auch die Tatsache, dass Clinton in der Tat vor allem bei den WählerInnen stark ist, die sich erst am Dienstag entschieden haben, wen sie wählen, spricht dafür. Aber es darf natürlich nicht vergessen werden, dass Clinton in New Hampshire viel eher ein "Heimspiel" hatte, als in Iowa und über den Verlauf des letzten Jahres mit teilweise über 20% führte. Von daher waren ihre Ausgangsbedinungen in New Hampshire deutlich besser als in Iowa, darüber darf man sich, bei all der "Obamania" der letzten Tage nicht hinwegtäuschen lassen.
Ansonsten bleibt Obama der Kandidate des Wechsels und der Kandidat der Jungen, gut ausgebildeten und "relativ" Wohlhabenden, während Clinton bei den Älteren, weniger gut ausgebildeten Unter- und Mittelschichten bevorzugt wird. Bemerkenswerterweise stimmten die Befürworter eines schnellen Irak-Abzugs eher für Clinton, während diejenigen, die einen vorsichtigen oder überhaupt keinen Rückzug wollen, sich eher für Obama erwärmen können. Hier scheint Obama mit seinen außenpolitischen Äußerungen während der Debatten seinen Antikriegs-Bonus selbst verspielt zu haben. Auch bei den Kandidateneigenschaften gibt es schließlich interessantes zu beobachten: Dass Clinton bei "Erfahrung" führt, überrascht allenfals der Höhe nach (71 zu 5 Prozent, Richardson: 16), dass Obama bei "Wandel" führt (55 zu 28 Prozent) ebenfalls. Unerwartet allerdings das Ergebnis in der Rubrik "kümmert sich um die Menschen": Clinton (41%) noch vor Edwards (37%) und deutlich vor Obama (19%) (Vgl. Iowa: Edwards (44), Obama (24), Clinton (22)) Auch hier ein Indiz dafür, dass die "neue Hillary" besser ankommt. Der Vollständigkeit halber: Bei der "Wählbarkeit" führt Obama mit 52 zu 26 Prozent, dieses Kriterium war aber lediglich für 6% der Wähler entscheidend.

Auch hier entscheide ich mich gegen die Siegesrede (die allerdings besser war, als die von McCain) und bringe statt dessen einen Vorfall, der sich in den letzten Tagen ereignete und demonstriert, dass manches doch eben nicht für jeden so selbstverständlich ist, wie ich es mir wünschen würde. Auf einer Wahlveranstaltung in New Hampshire hatte ein Protestierer einen ganz anderen Job-Vorschlag für die Senatorin:

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