Die wichtigste Meldung des Tages vorweg: Mitt Romney hat seine Kandidatur "suspendiert". Das ist nicht ganz das selbe wie ein Ausstieg (mehr dazu
hier), aber fast. Mehr dazu später.
Zunächst versuchen wir's mal mit einer Bestandsaufnahme. Die kann noch nicht vollständig sein, bei den Demokraten sind noch 9,1% der Delegierten nicht verteilt, bei den Republikanern 3,6% (Quelle:
realclearpolitics.com,
andere sind noch vorsichtiger). Danach ergibt sich bei den Republikanern folgender Zwischenstand nach dem Super Tuesday:
John McCain hat damit einen außerordentlich komfortablen Vorsprung. Was mit Romneys Delegierten passiert, entscheiden die jeweiligen Parteivorstände in den Staaten, also z.B. in Michigan, Massachusetts, Minnesota (in denen die Partei eher moderat ausgerichtet ist), Colorado und New Mexico (die an McCains Heimatstaat Arizona grenzen). Es darf also davon ausgegangen werden, dass diese Stimmen überwiegend McCain zugute kommen. Im Idealfall hätte er dann 999 Delegierte (plus 3 ungebundene aus Arizona), damit wäre die "magische" Zahl von 1191 nicht mehr fern. Und da am kommenden Samstag und Dienstag 235 Delegierte zu vergeben sind, darf man getrost davon ausgehen, dass der Drops gelutscht ist: Wenn nicht Ronald Reagan aus dem Grabe auferstehen oder McCain in selbiges niedersinken sollte (trotz seines Alters nichts, worauf man wetten sollte), wird er in Kürze der republikanische Kandidat sein. Sollte darauf freilich jemand irgendwas gewettet haben (was allerdings in den USA illegal wäre), wäre er oder sie freilich jetzt um einiges reicher. Und wenn gar jemand gewettet hätte, dass aus dieser bunten Truppe ausgerechnet John McCain, Mike Huckabee und Ron Paul (jaja, der is auch noch da) übrigbleiben...aber naja, wer hätte sowas dummes schon getan. Lassen wir also noch einmal die Polit-Leichen der Republikaner vor unserem geistigen Auge vorüberziehen:
- Gov. Jim Gilmore (R-VA): ausgestiegen 14.7.2007
- Gov. Tommy Thompson (R-WI): ausgestiegen 12.8.2007
- Sen. Sam Brownback (R-KS): ausgestiegen 19.10.2007
- Rep. Tom Tancredo (R-CO): ausgestiegen 20.12.2007
- Rep. Duncan Hunter (R-CA): ausgestiegen 19.01.2008
- Sen. Fred Thompson (R-TN): ausgestiegen 22.01.2008
- May. Rudy Giuliani (R-NY): ausgestiegen 30.01.2008
- Gov. Mitt Romney (R-MA): ausgestiegen 07.02.2008
Jetzt muss er es nur noch schaffen, die Erzkonservativen in seiner eigenen Partei zu überzeugen. Die sehen es nämlich gar nicht gern, dass ihre Partei drauf und dran ist, einen Kandidaten zu nominieren, der noch weitestgehend alle Steine auf der Schleuder hat (um die großen amerikanischen Philosophen
William Hanna/Joseph Barbera zu zitieren). Und so haben ja einige bereits damit gedroht, quasi als Höchststrafe Hillary Clinton zu wählen.
Aber das müssen sie ja vielleicht gar nicht: Denn bei den Demokraten läuft es irgendwie nicht so wirklich nach Plan für Hillary Clinton. Der sah vermutlich vor, dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits die Kandidatin der Demokraten wäre und sich auf den Wahlkampf gegen einen der schwächeren Republikaner, Romney, Thompson oder Giuliani, vorbereitet hätte. Pustekuchen - nicht nur, dass die Republikaner wohl mit zusammengebissenen Zähnen mit McCain den Kandidaten nominieren werden, der am schwersten zu schlagen sein wird, auch der Blick auf die Delegiertenzahlen ist wenig erbaulich für Clinton.
Zwar führt sie knapp vor Obama, aber erstens hat sie das ausschließlich der Tatsache zu verdanken, dass sie die Kandidatin des Parteiestablishments ist und damit erheblich mehr Superdelegates vorweisen kann. Und zweitens hätte wohl niemand vor einigen Monaten für möglich gehalten, dass Obama ihr derart Kontra geben würde. Auch ich war davon ausgegangen, dass ein Durchhalten bis zum Super Tuesday schon eine irre Leistung Obamas sein würde, er spätestens dort aber von Clinton in Grund und Boden gesiegt wird. Und nun liegt er nach ordentlichen Delegierten sogar vorn und auch sein Rückstand in den Gesamtzahlen könnte sich noch im Verlaufe des Monats deutlich verkleinern oder sogar umkehren und zwar aus folgenden Gründen:
- Unter den Staaten, in denen noch einiges an Delegierten unverteilt sind, befinden sich etliche, in denen Obama sehr gut abgeschnitten hat: in Colorado, Alabama und vor allem Georgia. Auf der anderen Seite sind die Clinton-Hochburgen New Jersey und Massachusetts vollständig durch, in New York fehlt noch einer. Lediglich Kalifornien könnte noch etwas für Clinton tun.
- Der Super Tuesday hat noch einmal gezeigt, dass Obama in Caucusses wesentlich stärker ist als in Primaries. Während die Wähler bei letzteren einfach nur ins Wahllokal gehen und ihr Kreuzchen machen, sind Caucusses teilweise stundenlange Parteiversammlungen, auf denen die Parteimitglieder ihre Präferenz offen darlegen und verteidigen müssen. Und hier zahlt sich aus, dass Obama eine junge, gut gebildete und hoch motivierte Anhängerschaft hat. Von allen Caucusses, die bisher abgehalten worden, hat er nur Nevada nicht gewinnen können. Und von den vier Vorwahlen am Wochenende sind drei (Washington State, Nebraska, Maine) Caucusses und die vierte findet in Louisiana statt, wo er sich wieder auf die Stimmen der Afroamerikanischen Demokraten wird verlassen können.
- Während Clinton offenbar Finanzprobleme bekommt und ihr privates Vermögen anzapfen muss, rollt der Rubel bei Obama wie nie zuvor. Hierbei kommt ihm zugute, dass seine bisherigen Einnahmen wesentlich stärker aus Kleinspenden bestanden als bei Clinton. Diese Spender kann er daher eher dazu bringen, noch etwas mehr zu geben, als Clinton - zumal es auch Höchstgrenzen gibt. Und so kann er aus dem vollen schöpfen, wenn es in die "potomac primaries" von Virginia, Maryland und Washington D.C. geht
- Die Superdelegates sind nicht auf einen Kandidaten festgelegt, sondern können sich jederzeit umentscheiden. Je mehr also Obamas Kampagne an Fahrt gewinnt, desto größer wird die Versuchung für Clintons Superdelegates sein, die Seiten zu wechseln.
- Bislang sind erst 339 der insgesamt 796 Superdelegates einem Kandidaten zugeordnet worden. Auch von dieser Seite könnten in den kommenden Wochen durchaus noch einige neue Stimmen hinzukommen. Und auch, wenn es bei den Massachusetts primaries nicht geholfen zu haben scheint: Die Unterstützung von einflussreichen Demokraten wie Ted Kennedy und John Kerry ist hier sicher sehr hilfreich. Auch die Nominierung McCains dürfte dabei hilfreich sein. Denn das Duell Clinton-McCain ist annerkanntermaßen die beste Chance, die die Republikaner haben, das Weiße Haus doch noch einmal zu erobern. Und Obama hat Umfragen zufolge wesentlich bessere Chancen, McCain zu schlagen: Wegen seiner Jugend, seiner konsequenteren Haltung zum Irak-Krieg und seiner Attraktivität bei Republikanern und Unabhängigen.
- Und schließlich dürfte der Super Tuesday die Moral in Obamas Anhängerschaft erheblich gesteigert haben. Während man bisher immer die Umfragen vor Augen hatte, die Clinton in so gut wie allen Super-Tuesday Staaten weit vorn sahen, konnte man am Ende sogar deutlich mehr Staaten gewinnen als Clinton. Und auch bei weißen Wählern waren enorme Fortschritte zu verzeichnen. So konnte Clinton sich für ihren Sieg in Kalifornien vor allem bei den Latinos und Asian Americans bedanken. Es kommen aber nur noch zwei Staaten, in denen diese Gruppen von Bedeutung sind: Hawaii (wo Obama geboren wurde) und Texas
Und so komme ich zum ersten Mal in diesem Vorwahlkampf zu der Einschätzung gelangen, dass Obamas Chancen auf die Kandidatur etwas besser sind als die von Clinton. Eigentlich hat sie nur noch zwei Chancen, die Nominierung aus eigener Kraft zu packen: Bei den Potomac primaries am kommenden Dienstag und dann am 4. März, wenn mit Ohio und Texas zwei big points auf dem Programm stehen. Sollte auch nach dem 4.3. ein Patt herrschen, dürfte die Partei anfangen, zu drängeln. Und angesichts des Gegenkandidaten McCain und der vielen Jung- und Neuwähler, die Obama zu den Demokraten gebracht hat, ist wohl klar, auf wen mehr Druck gemacht werden wird. Da hätte Parteichef Dean gleich einmal die Chance, sich dafür zu "bedanken", dass die Clintons vor vier Jahren John Kerry unterstützt haben. Er hat bereits
angedeutet, dass die Partei irgendwann auf eine Lösung drängen wird und das Ganze nicht bis zum Parteitag in Denver wird weitergehen lassen. Wie so etwas aussehen kann, haben die Republikaner 1980 gezeigt. Die Partei nötigte Ronald Reagan, den ungeliebten Rivalen George H. W. Bush zum VP-Kandidat zu machen. Aber Bush Sr. war ja auch ein loyaler Parteisoldat....
redpoint - 7. Feb, 21:13