Freitag, 4. Januar 2008

Iowa has spoken (1): "They said, this day would never come."

In meinem ersten Beitrag zur Nachlese der Iowa-Vorwahlen beschäftige ich mich mit dem Ergebnis bei den Demokraten. Falls sie irgendwer noch nicht mitbekommen haben sollte, hier noch einmal die Zahlen der Iowa Democratic Party:

Barack Obama: 37.58%
John Edwards: 29.75%
Hillary Clinton: 29.47%
Bill Richardson: 2.11%
Joe Biden: 0.93%
Chris Dodd: 0.02%

Vergleicht man diese Zahlen mit den in Iowa veröffentlichten Umfragen, mutet das Ergebnis von gestern Nacht einigermaßen sensationell an. So sahen von über 70 mir bekannten Umfragen lediglich zwei einen Vorsprung von 8 oder mehr Prozentpunkten für Obama vorher. Ein Ergebnis von über 37% sah nicht eine einzige Umfrage für irgend einen Kandidaten vor. Das gleiche gilt für das schlechte Abschneiden der "Sonstigen", das zwei von ihnen, die Senatoren Biden und Dodd, zur unverzüglichen Aufgabe bewegte.
Führt man sich aber die etwas umständlichen Regeln des demokratischen Caucus vor Augen (bei uswahl2008.de schön erklärt, mit literarischer Beigabe), nimmt die Verwunderung schon deutlich ab. Ein entscheidender Unterschied zu den Republikanern ist der, dass bei den Demokraten in jedem einzelnen Caucus nur die Kandidaten überhaupt gezählt werden, die mehr als 15% der Stimmen bekommen. Wenn jetzt also auf einem 1000-Personen-Caucus die Kandidaten Biden, Dodd und Richardson jeweils "nur" mit 130 Unterstützern dastehen, werden die nicht gezählt, sondern müssen sich für einen anderen Kandidaten entscheiden. Und zusammen wären das ja immerhin fast 40% unseres imaginären Caucusses, also eine bedeutende Größe, die aber in Umfragen im Grunde nicht abgebildet werden kann. Man kann zwar die zweite Wahl der Leute abfragen (das passiert nur in den allerwenigsten Umfragen), aber kein Mensch weiss ja, ob die erste Wahl der befragten Wähler wirklich ausscheidet und damit die zweite Wahl zum Zuge kommt.
Die Wähler der "Sonstigen" von sich zu überzeugen, ist also mitunter genauso bedeutend, wie die Mobilisierung der eigenen Wähler. Vor vier Jahren gelang dies vor allem John Edwards hervorragend und nach einigen Umfragen, die auch die zweite Wahl abfragten, sah es so aus, als sollte er auch dieses Mal wieder die Nase vorn haben. Allerdings konnte der Aufruf von Dennis Kucinich an seine Unterstützer, als zweite Wahl Obama zu wählen, als Vorahnung gesehen werden - vor vier Jahren hatte Kucinich Edwards unterstützt. Und so scheint es auf den ersten Blick, als hätte Obama hier tatsächlich noch einmal beträchtlich verbessern können. Doch dazu gleich mehr.
Interessant ist der Blick auf die Entrance Polls von CNN. Hier zeigt sich z.B., dass Obama in außerordentlich hohem Maße von jungen Wählern gewählt wurde: In der Altersgruppe 17-29 liegt er bei sagenhaften 57%, "gefolgt" von Edwards (14), Clinton (11, in Worten: ELF) und Richardson (10). Auch in der Altersgruppe 30-44 liegt Obama mit 42% noch deutlich vor Clinton (23) und Edwards (21). Einen deutlichen Vorsprung kann Clinton 45% gegenüber 22% (Edw.) und 18% (Oba.) erst bei den über 65jährigen aufweisen.
Obamas Vorsprung zieht sich auch eingermaßen konstant durch alle Einkommensgruppen. Hier ist bemerkenswert, dass die Unterstützung für Edwards mit zunehmendem Einkommen eher zunimmt, obwohl die Bekämpfung der Armut und der Einsatz für Mittel- und Unterschichten die Basis für Edwards' Kampagne bilden. Auch die gewerkschaftliche Orientierung von Edwards bleibt folgenlos: Organisierte wählen ihn kaum stärker als nicht organisierte. Bei den Motiven für die Unterstützung bekommen alle drei etwas ab: Clinton führt bei "Erfahrung", Edwards bei "Kümmert sich um die Menschen" und "Wählbarkeit" (eigentlich ein zentrales Element von Clinton). Für 52% der Wähler war aber das Motiv "Wandel" entscheidend und hier führt Obama dramatisch: 51% gegenüber 20% (Edw.) und 19% (Cli.).
Kommen wir zurück zu der Frage, wer im Verlaufe der Caucusses am meisten rausholen konnte. Hier sind die Entrance Polls recht hilfreich: Wie der Name schon sagt, werden hier die Wähler beim Eingang in die Veranstaltungen nach ihrer Wahlabsicht befragt. Da ergab sich folgendes Bild:
Obama: 35%, Clinton: 27%, Edwards:23%, Richardson: 7%, Biden: 4%, Dodd: 1%, Kucinich: 1%
Obama konnte also 2,5 Prozentpunkte zulegen, Edwards hingegen fast 7. Bei 2.300 Befragten liegt beides oberhalb der Fehlertoleranz, da ist also wirklich was passiert. Und zwar etwas für Hillary Clinton, die auch etwa 2% zulegte, recht unerfreuliches: Edwards konnte sie mit einer starken Organisation auf den Caucusses überholen.
Was bedeutet nun dieses Ergebnis für den weiteren Vorwahlkampf. Zunächst einmal eine Verkleinerung des Feldes: Dodd und Biden sind raus, Kucinich und Gravel ohnehin nur virtuell dabei und auch Richardson wird bald die Segel streichen. Es ist ein Dreikampf geblieben, der sich allerdings nach den Vorwahlen in New Hampshire und South Carolina zum Zweikapf Clinton-Obama entwickeln dürfte. Und in diesem Zweikampf ist Hillary nach wie vor die haushohe Favoritin. Denn auch wenn dieses Ergebnis das für sie das schlechteste ist, was realistisch erwartet werden konnte: Obama muss schon in New Hampshire UND South Carolina klar siegen, um sich für den Super Tuesday als gleichwertiger Bewerber aufzubauen. Was durchaus machbar, aber keineswegs sicher ist, auch wenn die Medien Obama in den nächsten Tagen kräftig hochjubeln werden. Die Entscheidung findet am 5.2. statt - das ist das Ergebnis dieser "first in the nation"-Vorwahl.
Ein Wort noch zu John Edwards: Er hat mal wieder gezeigt, dass in Iowa mit ihm gerechnet werden muss. Am Ende ist dieses Ergebnis aber eher eine Niederlage als ein Sieg für ihn. In New Hampshire und South Carolina wird er wohl nicht diese Rolle spielen können. Nur ein Sieg in seinem "zweiten Wohnzimmer" Iowa hätte ihm die Aufmerksamkeit verschafft, die ihm die Chance auf die Nominierung aufrecht erhalten hätte. Wenn also nicht einem der beiden Konkurrenten noch etwas außergewöhnliches passiert, dürfte Edwards keine Chance mehr haben, noch irgendetwas zu gewinnen.
Abschließend gebe ich noch dem Sieger des gestrigen Abends das Wort, der meines Erachtens auch die beste Rede des Abends gehalten hat:

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