What the heck is...The Electoral College

Beim Electoral College handelt es sich nicht um eine Bildungseinrichtung, in der US-BürgerInnen das Wählen lernen (was vielleicht auch keine schlechte Idee wäre). Das Electoral College ist ein Gremium aus Wahlfrauen und -männern, das alle 4 Jahre zusammentritt, um den Präsidenten der USA zu wählen - also durchaus ähnlich der Bundesversammlung in Deutschland. Während aber die Bundesversammlung je zur Hälfte aus den Mitgliedern des Bundestages und von den Landtagen gewählten Vertretern besteht, werden die Mitglieder des Electoral College ausschließlich von den Bundesstaaten entsandt.
Dabei hat jeder Staat genau so viele Stimmen, wie er Abgeordnete in den Kongress entsendet. Das sind gegenwärtig 435+3 Wahlmänner und Frauen, denn Washington D.C., das über keine "echten" Abgeordneten verfügt, entsendet seit dem 23. Verfassungszusatz 1961 so viele Vertreter wie der kleinste Bundesstaat. Da jeder Staat mindestens über 2 Senatoren und ein Mitglied des Repräsentantenhauses verfügt, ist die kleinste denkbare Delegation also 3 Personen stark - eine Zahl, die gegenwärtig eine ganze Reihe von Bundesstaaten erreichen. Die größte Delegation stellt gegenwärtig Kalifornien mit 55 Personen. Die Tatsache, dass jeder Bundesstaat, unabhängig von seiner Größe, zwei Senatoren stellt und damit quasi zwei "Grundmandate" im Electoral College stellt, führt zu einer Bevorzugung kleiner Bundesstaaten. So hat Kalifornien zwar mehr als 70mal so viele Einwohner wie Wyoming, aber lediglich etwa 18mal so viele Stimmen im Electoral College.
Wie die Stimmen im Electoral College auf die Kandidaten verteilt werden, entscheidet jeder Staat für sich. Während es in den Anfangsjahren der USA durchaus üblich war, dass die Parlamente der Bundesstaaten die Wahlmänner auswählten, findet heute in allen Bundestaaten und der Hauptstadt eine allgemeine Wahl statt. Die Präsidentschaftswahl ist also eigentlich gar keine, sondern eine Aneinanderreihung von 50 Wahlen auf Bundesstaatsebene. Dabei ist es in der Regel so, dass der/die KandidatIn mit den meisten Stimmen sämtliche Stimmen des jeweiligen Staates zugesprochen bekommt. Wer also in Pennsylvania mit wenigen Stimmen Vorsprung gewinnt, hat 21 Stimmen im Sack.
Eine Ausnahme bilden Maine und Nebraska. Dort ist es etwas komplizierter, weshalb ich es am Beispiel Nebraska verdeutlichen will: Nebraska hat drei Repräsentantenhausbezirke, kommt zusammen mit mit den zwei Senatoren also auf 5 Vertreter im Kongress, also auch auf 5 Stimmen im Electoral College. Die drei Stimmen, die den Abgeordneten entsprechen, werden nach den Ergebnissen in den einzelnen Wahlkreisen verteilt: Wer in einem Wahlkreis vornliegt, bekommt den entsprechenden Wahlmann. Die verbleibenden 2 Stimmen, die den Senatoren entsprechen, erhält der Kandidat, der im ganzen Staat vorn liegt. Wenn jetzt also beispielsweise George Washington in den Wahlkreisen 1 und 2 knapp vornliegt, Abraham Lincoln aber in Wahlkreis 3 so deutlich führt, dass er insgesamt mehr stimmen in Nebraska erhält als Washington, wird die Nebraska-Delegation aus 2 Washington- und 3 Lincoln-Wählern bestehen. In Maine läuft es ganz genauso, nur dass Maine über lediglich 2 Kongressbezirke verfügt.
Während das bei Maine und Nebraska mit 4 bzw. 5 Stimmen noch relativ unspektakulär ist, würde sich ein solches Verfahren in großen Staaten wie Kalifornien, Texas, New York oder Florida schon ganz anders auswirken. Und deshalb gibt es in Kalifornien auch Bestrebungen seitens der Republikaner, ein solches Verfahren einzuführen. Während Kalifornien in den letzten Jahrzehnten ein sicherer, großer Stimmenlieferant für die Demokraten war (der letzte Republikaner, der da was holen konnte, war Ronald Reagan), würden nach einer solchen Änderung von den 55 Stimmen etwa 20 an die Republikaner gehen - das entspricht fast dem fünftgrößten Bundesstaat Pennsylvania mit 12 Mio. Einwohnern. Allerdings hat Gouverneur Schwarzenegger bisher keine Bestrebungen gezeigt, dieses Ansinnen zu unterstützen.
Das Electoral College tritt übrigens nicht in seiner Gesamtheit zusammen, vielmehr treffen sich die Delegationen in der Hauptstadt ihres Bundesstaats und geben dort ihre Stimme für einen Präsidenten und einen Vizepräsidenten ab. Die Ergebnisse werden dann in Washington D.C. in einer gemeinsamen Sitzung von Senat und Repräsentantenhaus ausgezählt. Sowohl der Präsident als auch der Vizepräsident benötigen die absolute Mehrheit, das sind gegenwärtig 270 Stimmen. Gelingt das nicht, hat das Parlament das Wort: Ist kein Vizepräsident gewählt worden, bestimmt der Senat einen Vizepräsidenten mit der Mehrheit seiner Mitglieder. Ist kein Präsident gewählt worden, bestimmt das Repräsentantenhaus einen Präsidenten mit der Mehrheit seiner Delegationen, d.h. jeder Staat hat eine Stimme und die Abgeordneten müssen sich intern auf ein Abstimmungsergebnis einigen. 1800 wurde Thomas Jefferson und 1824 John Q. Adams vom Repräsentantenhaus zum Präsidenten gewählt. 1836 wurde Richard M. Johnson vom Senat zum Vizepräsidenten gewählt.
Tja, so läuft das ab und es könnte sich dem geneigten Betrachter die Frage stellen: Warum so umständlich? Nun, dieses Wahlsystem ist eines der vielen Überbleibsel aus den Anfängen der amerikanischen Demokratie - aus einer Zeit, in der es weder Internet noch Telefon noch Fernsehen gab und man ein System brauchte, das dezentral funktionieren konnte. Und in der Tat - alles was man hierfür braucht, sind ein paar Reiter, um die Ergebnisse aus den Staaten in die Hauptstadt zu schaffen. Und so wie sich die Amerikaner seit über 200 Jahren weder von Wirtschaftskrisen, Bürger-, Welt- und kalten Kriegen davon abhalten lassen, alle 2 Jahre am ersten Dienstag im November wählen zu gehen und dabei jedes zweite Mal einen Präsidenten zu wählen, haben sie sich auch dieses System durch die Jahrhunderte behalten. Und ich als alter Traditionsfetischist muss sagen: Det find ick knorke.

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